Helmut Zilk – Ein Kind der Josefstadt

Helmut Zilk (9. Juni 1927–24. Oktober 2008) war Fernsehdirektor, Kulturstadtrat, Unterrichtsminister und Bürgermeister von Wien. Er war ohne Zweifel einer der bedeutendsten Politiker der Stadt und hat Wien wesentlich geprägt. Dass Helmut Zilk auch ein Kind der Josefstadt war, ist eher unbekannt. Anlässlich seines 15. Todestages blicken wir auf sein reiches Leben zurück.

Helmut Zilk wurde 1927 in Wien geboren. Die ersten beiden Jahre verbrachte er mit seinen Eltern im polnischen Lodz (Łódź), 1929 erfolgte der Umzug in die Wiener Josefstadt. Die Wohnung in der Lange Gasse 16/6 wurde ab dann zum Lebensmittelpunkt der Familie. Vater Wilhelm war Expeditleiter des „Neuen Wiener Tagblatts“ und der „Volkszeitung“. Die enge Beziehung zu Medien wurde Sohn Helmut also in die Wiege gelegt.

„Sehr gut“

Von 1933 bis 1937 besuchte Helmut Zilk die Volksschule bei den Piaristen, um dort auch ins Gymnasium zu gehen. Nach zwei erfolglosen Jahren wechselte er jedoch in die Hauptschule Zeltgasse 7. Mit dem Schulwechsel nahm seine Schulkarriere eine radikale Wende. Sein neuer Lehrer war Anhänger der reformorientierten „Glöckel-Schule“ – und so hatte der spätere „Oberlehrer der Nation“, sprich Unterrichtsminister, von einem Tag auf den anderen nur mehr „Sehr gut“!

1943 trat Zilk in die Lehrerbildungsanstalt Hegelgasse im ersten Bezirk ein, ab 1947 war er als Lehrer in der Josefstadt – in der koedukativen Volks- und Hauptschule in der Albertgasse 23 – tätig. Mit seinen ehemaligen Schüler:innen traf er sich regelmäßig im Café Hummel nahe der Schule. Diese berichten, dass er zwar streng, aber gerecht war. Sein Credo war: „Man muss keine Jahreszahlen auswendig lernen, sondern Geschichte verstehen.“

Bombardement

Die Bomben im Zweiten Weltkrieg beschädigten die Wohnung in der Lange Gasse schwer. Gegen Ende des Krieges sollten Vater und Sohn zum „letzten Aufgebot“, die Rote Armee war schon im Anmarsch. Hunderte Männer kamen ins Piaristengymnasium, um sich Stahlhelme, Gewehre und Uniform abzuholen. Der glücklose Schulbesuch erwies sich jetzt doch als Glücksfall: Weil die beiden sich im Gebäude auskannten, verschwanden sie über einen Hinterausgang. Danach versteckten sie sich zwei Tage lang, bis die ersten russischen Panzer von der Alser Straße her kamen.

Kurz darauf, am 1. Mai 1945, gab es bereits eine 1.-Mai-Feier am Albertplatz. Erstmals seit 1933 wurde in Wien wieder der „Tag der Arbeit“ gefeiert, allerdings nicht zentral, sondern in den Bezirken und gemeinsam von den drei Gründungsparteien der Zweiten Republik: SPÖ, ÖVP und KPÖ. Bei Zilk hinterließ dies einen großen Eindruck.

Stadttheater

Zilks Mutter Stefanie war es, die wollte, dass er die Privatschule der Piaristen besuchte. Sie war eine emanzipierte Frau, die zum Kartenspiel ins Kaffeehaus ging. Auch im Extrazimmer der Gastwirtschaft Blauensteiner an der Ecke Lenaugasse/Josefstädter Straße war sie regelmäßig anzutreffen. Es war auch das Stammwirtshaus von Heimito von Doderer, der gleich um die Ecke wohnte und sich angeblich unsterblich in die wunderschöne Frau Zilk verliebte.

Seine Mutter erschloss Helmut Zilk auch die Welt des Theaters. Regelmäßig besuchten sie Operetten im Stadttheater an der Kreuzung Laudongasse/Skodagasse. Dass ein Operettenstar einmal sein „Lebensmensch“ werden würde, war damals nicht vorhersehbar.

1970 begegnet Helmut Zilk bei einer Party dann Dagmar Koller. Der damaligen Kulturstadträtin und späteren Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner vertraute er an: Wenn er noch einmal heiraten würde, dann die Koller. Und so kam es, dass Fröhlich-Sandner (die übrigens ab 1987 auch in der Josefstadt wohnte) die beiden verkuppelte.

Geheiratet hat Zilk seine „Dagi“ vor 45 Jahren, am 21. Juli 1978, natürlich am Standesamt Josefstadt. Der damalige Wiener Bürgermeister Leopold Gratz, der ab 1985 ebenfalls in der Josefstadt lebte, war sein Trauzeuge.

Visionär

Als Kulturstadtrat hat Helmut Zilk kulturpolitische Meilensteine gesetzt, etwa als er Claus Peymann als Burgtheaterdirektor berief. Zilk stand für eine kulturelle Offenheit.

Am 29. Mai 1993 fand im Wiener Rathaus der allererste Life Ball statt. „Aus Vorurteil und Ablehnung entstand so was wie Toleranz, irgendwann wurde daraus Akzeptanz bis zu Anerkennung von vielen. Dafür in den frühen Neunzigern die Tore des Rathauses zu öffnen – als erstes politisches Gebäude der Welt –, zeichnet einen großen, visionären Bürgermeister aus: Dr. Helmut Zilk!“, schrieb Gery Keszler heuer zum 30. Jahrestag des Life Balls. Zilk war immer ein Mann der Umsetzung und hat so nicht nur als Politiker schon vor 30 Jahren den Boden für die LGBTQIA+-Bewegung in Wien geebnet, sondern auch für vieles, das uns heute selbstverständlich erscheint.

Stadtaußenpolitik

In Bezug auf die internationale Diplomatie war Zilk sehr aktiv. Er baute Beziehungen insbesondere zu den Nachbarländern in Mitteleuropa auf und förderte den Austausch von Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft, um Wien als zentralen Standort für internationale Zusammenarbeit zu etablieren.

Seine Offenheit kostete ihn sogar eine Hand: Am 5. Dezember 1993 wurde Zilk bei einem Briefbombenattentat des rechtsextremen Terroristen Franz Fuchs schwer verletzt.

Trauerakt

Am 24. Oktober 2008 starb Helmut Zilk in der Klinik Ottakring an einem Herzversagen. Am 8. November wurde im Wiener Rathaus vor rund 1.000 geladenen Gästen der offizielle Trauerakt abgehalten. Der damalige Bürgermeister Michael Häupl unterstrich Zilks Verdienste um politische Verständigung in Zeiten des Eisernen Vorhangs: Zilk habe „wesentliche Vorarbeiten für das europäische Haus geleistet“. Er nehme Abschied von einem Freund, betonte Václav Havel: Der ehemalige tschechische Präsident erinnerte daran, dass der Eiserne Vorhang von beiden Seiten, also von Bürgerrechtsbewegungen im Osten wie auch durch couragierte Politik im Westen „angebohrt“ worden sei.

Trauerzug mit schwarzer, prunkvoller Kutsche, die von vier Pferden gezogen wird. Viele Menschen säumen den Zug mit Kerzen in der Hand

Das Begräbnis von Helmut Zilk war das prunkvollste, das Wien seit der Beisetzung der letzten Kaiserin erlebt hatte. Tausende Menschen erwiesen ihm die letzte Ehre

Auf Initiative des Josefstädter Verlegers Eduard Harant wurde am 30. Mai 1994 die Bildung der Österreichisch-Tschechischen Gesellschaft beschlossen. Helmut Zilk wurde zu ihrem Präsidenten gewählt. Der des Tschechischen mächtige Harant war es auch, der Zilk als treuer Freund zur Seite stand, als Anschuldigungen auftauchten, Zilk wäre ein „CSSR-Agent“ gewesen.

Ehre, wem Ehre gebührt

Die eigentliche Beisetzung im Ehrengrab am Zentralfriedhof stellte den Schlusspunkt der Trauerfeierlichkeiten dar. Am Grab hielt Zilks Sohn Thomas eine sehr persönliche Grabrede und erzählte dabei auch davon, wie er zwei Tage nach dem Tod seines Vaters mit seinen beiden Kindern dessen erste Wohnung in der Lange Gasse aufsuchte.

Der Wiener pflegt bekanntlich eine besondere Beziehung zum Tod. Auch die Ehrung der Toten ist ein Teil des Wiener Rituals. So ist ein entsprechender Ort der Huldigung vorgesehen: das Ehrengrab. In Parzelle 32C fand Helmut Zilk seine letzte Ruhe.