Josefstadt – Thailand. Die Musik- und Genuss-Achse

Supannada Plupthong, aus Thailand stammende Wahl-Wienerin, bereichert den achten Bezirk nicht nur gastronomisch.

von Rainer Krispel

Mit The Amazing Chaiyo Band schenkt sie als Sängerin von hier aus der Weltstadt Wien eine neue, spannende und tanzbare Pop-Klangfarbe.

Es ist eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann. Unerlässliche Ingredienzen dafür: Liebe, Wagemut, Musik, glückliche Zufälle und Fügungen. Vor allem aber Menschen, die etwas tun (wollen) – und das von Herzen und gut.

Supannada, deren Spitzname „Piano“ unmissverständlich betont, welch großen Stellenwert Musik in ihrem Leben hat, und Philipp Mayer sind solche Menschen. Mayer seinerseits aus dem niederösterreichischen Mannersdorf stammend und mit seinen Drumsticks seit Jahrzehnten in der hiesigen Musikszene umrührend und gekonnt diverse Takte schlagend, dazu gastronomisch engagiert etwa in der Versorgung des ImPulsTanz-Festivals. Das sich gerade in der Zielgeraden befindet, als Piano und er uns von ihrer gemeinsamen Band erzählen. Sie tun dies in und vor der Sipsong Bar, dem zweiten Lokal-Standbein der Wirtin und Sängerin neben der unweit davon gelegenen Mamamon Thai Eatery (Anm.: direkte Nachbarn unserer Redaktion). Das kleine Restaurant gilt längst als eine der gefragtesten Adressen für Köstlichkeiten, mitunter auch etwas schärfere, aus dem südostasiatischen Land, in dem an die 72 Millionen Menschen leben.

Von denen Supannada Plupthong doch einigen, gar nicht so wenigen bekannt war als waschechter Popstar. Gemeinsam mit ihren Schwestern Bass und Zoi/Sor agierte sie als The Sis, ein Trio, das von 2002 bis 2006 Alben und Singles veröffentlichte – prominente Vertreterinnen dessen, was als Thai-Pop oder T-Pop hierzulande weniger umfassend bekannt sein mag, aber nicht nur in Thailand viele Menschen bewegt und unterhält. Pianos Schwestern sind auch weiterhin erfolgreich als Musikerinnen aktiv, in Bangkok respektive in Las Vegas.

Während in der Sipsong Bar zeitgleich eine Weinverkostung (köstlich!) ihren Anfang nimmt, bei der später auch noch Bassist Helmut Schartlmüller vorbeischaut, deutet Piano an, dass im Hintergrund von The Sis ein ehrgeiziger Vater (mit-)wirkte. The Jackson 5 mit dem armen Michael und dem diktatorischen Joseph fallen als entsprechende popkulturelle Referenz. Doch die gute alte, ewig neue Liebe machte allfälligen elaborierten Karriere- und globalen Mega-Popstar-Plänen ohnehin einen konsequenten Strich durch die Rechnung. Auftritt Jan (Petersen), ein gebürtiger Schwede, dem Piano in der thailändische Hauptstadt Bangkok begegnete. Die beiden verliebten sich und landeten dann gemeinsam nachhaltig beruflich wie privat in der Wiener Josefstadt.

Collage. Bild 1: Bandfoto mit 3 Männern in schwarzen Anzügen und einer Frau im eleganten rosa Abendkleid, alle vier posen vor der Kamera. Bild 2: eine junge Thailänderin steht hinter einem Holztresen und lächelt in die Kamera

The Amazing Chaiyo Band (© Bernhard Eder); Piano, die singende Wirtin der Sipsong Bar (© Mario Lang)

Zwischen Gastro- und Musikszene, Nacht- und Konzertleben begegneten sich hier Philipp Mayer und Piano Plupthong. Er hörte sie im WUK singen und war begeistert. Sie hatte überaus große Lust, wieder Musik zu machen – was in Wien mitunter gar nicht so leicht sein kann, wenn der eigene Background nicht ganz alltäglich ist. Eine wesentliche Station in der beginnenden Zusammenarbeit war das Amazing Thailand Festival, das am 1. und 2. September 2018 in der Krieau stattfand und dem Supannada Plupthong mit ihren Kontakten und ihrer Kenntnis der Musik und Kultur ihres Geburtslandes zu einem inhaltlichen Spektrum verhalf, das weit über allfällige touristische Klischees hinausreichte. So trat etwa die Paradise Bangkok Molam Band auf: nicht nur für Hiesige eine einmalige Gelegenheit, auch für hier lebende Menschen aus Thailand ein echter Grund zur Freude. „Molam“ oder „Mo lam“ bezeichnet dabei eine traditionelle thailändische Musik mit einer langen, verzweigten Geschichte, die aber immer wieder in die zeitgenössische thailändische Popmusik einfloss und von unerschrockenen Künstler:innen mit Einflüssen westlicher Musik gekreuzt oder konterkariert wurde. Was ganz eigene, oft unglaublich dynamische Spielarten hervorbrachte. Wobei in Thailand, wie in vielen anderen asiatischen Staaten, nach dem Zweiten Weltkrieg US-amerikanische Musiken wie Jazz, Blues, Funk oder Rock’n’Roll die Kreativität und Imagination befeuerten – insbesondere auch mit und nach dem Vietnam-Krieg. Die eigenen Wurzeln und nicht zuletzt die Produktionsbedingungen und -umstände (Instrumente!) färbten dabei die Musik stark und führten allfällige „Authentizitätsfragen“ ad absurdum. Thai Funk Style? Denk es nicht, tanz es!

Die so entstandene Musik, die Piano als Unterhaltungsmusik der thailändischen „Working Class“ beschreibt, wurde ihr, aus dem Süden des Landes stammend, eigentlich erst hier in Wien verstärkt zugänglich, als es darum ging, den perfekten Sound für The Amazing Chaiyo Band zu finden und weiterzuentwickeln. Mit Andie Gabauer an der Gitarre und Erwin Bader an den Keyboards komplettieren zwei weitere hochkompetente Vielmusiker das Line-up der Band, deren Musiker sich in vielen unterschiedlichen Formationen der Unterhaltung „with a twist and attitude“ verschreiben, oft auch gemeinsam – hier seien nur Die Päpste oder The P’s erwähnt. Das „Chaiyo“ im Namen der Band erklärt Piano als überbordenden, auffordernden, lebensbejahenden thailändischen Gruß: ein Begriff, der so nur zu gut zu deren (zwingend!) tanzbaren, hochenergetischen Stücken mit so schönen Titeln wie „Everything Disco“ oder „Son Of A Gun“ passt, deren Wirkung und unmittelbarer Dynamik man sich nicht zuletzt wegen Pianos stilsicher gesetzter Vocals und ihrer prägnanten Stimme kaum entziehen kann. Ähnlich ihren Lokalen hat diese Musik etwas ganz Besonderes: „The songs have different kinds of things to offer.“

Nächste Konzerte:
09/Sep/2023 20.30h – Reindorfgassenfest. 23/Sep/2023 19.30h – „10 Jahre Café Ulrich“, 7., St. Ulrichsplatz 1

 

PHILIPP MAYER

Den 1976 geborenen Schlagzeuger verbinden Jahrzehnte persönlicher Lebensgeschichte mit dem achten Bezirk. Eine seiner Stationen in der Josefstadt war nicht zuletzt jenes Haus, in dem seine Wohnung über jener lag, in der die TV-Serie „Mitten im Achten“ gedreht wurde. Seiner – großen und entwickelten – Liebe zum Trommeln geht Philipp „Disco“ Mayer am breitenwirksamsten wohl mit der Band Denk nach, die zahlreiche Alben veröffentlicht hat und ein überaus populärer Live-Act ist. Was den nicht nur rhythmisch umtriebigen Philipp nicht hindert, auch in anderen Konstellationen seine prägnanten Beats zu setzen – wenn er nicht gerade in Sachen „francophil“, einer von ihm federführend mitbetriebenen Event- und Cateringagentur aktiv ist oder wie seit vielen Jahren Urlaub in Thailand genießt.

www.francophil.at

HELMUT SCHARTLMÜLLER

Philipp Mayers Partner in der Rhythmus-Sektion der Band, der aus dem oberösterreichischen Steyr stammende Helmut Schartlmüller, teilt mit diesem nicht nur die profunde Neigung zu tighten, funky Grooves, die sie gemeinsam anrühren, sondern auch die Verbindung zum Achten. Dabei verbrachte der ehemalige Fußballtormann und Musik-Spätstarter aber auch zwei Jahre in Los Angeles. Seine dauerhafte Homebase befindet sich bis heute in der Josefstädter Stolzenthalergasse. In Sachen Musik – neben seinem zweiten Standbein als Grafiker – ist er viel und vielfältig unterwegs: allem voran mit seinem langjährigen Engagement in der Band von Hubert von Goisern oder als Livebassist von Lemo.

facebook.com/schartlmueller